Die Hospiz- und Palliativversorgung gewinnt aufgrund der zunehmenden Anzahl chronisch kranker und multimorbider Menschen jeden Alters wesentlich an Bedeutung. Behandlungsentscheidungen haben in diesem Bereich jedoch eine hohe ethische als auch rechtliche Brisanz, da mitunter auch Therapiebegrenzungen umzusetzen sind.

Der Rechtsrahmen der Palliative Care ist grundsätzlich klar umrissen; rote Linien sind definiert (z.B. Verbot der Sterbehilfe). Nach der Rechtsordnung entsprechen jedoch therapeutische Maßnahmen, die allein den Sterbeprozess verlängern, weder den Vorgaben einer gewissenhaften Betreuung noch der Wahrung des Wohls des Patienten. So muss eine Behandlung dann nicht begonnen oder fortgesetzt werden, wenn sie aus medizinischer Sicht nicht indiziert oder – was auf dasselbe hinausläuft – mangels Wirksamkeit nicht mehr erfolgversprechend oder sogar aussichtslos ist. Dazu zählen gerade auch Konstellationen eines bereits unaufhaltsam eingetretenen Sterbeprozesses, der durch weitere medizinische Interventionen nur in die Länge gezogen werden würde.

Sohin darf ein Therapierückzug aus palliativen Erwägungen nicht mit einer Sterbehilfe verwechselt werden. Die Palliative Care sagt nämlich eindeutig Ja zum Leben, sie begleitet, lindert aktuell belastende Symptome, geht auf Wünsche des Patienten ein, beschleunigt nicht den Todeseintritt, zögert ihn aber auch nicht hinaus. Im Fokus der Palliativmedizin steht die Symptomkontrolle. Dadurch soll eine möglichst hohe Lebensqualität erreicht werden.

Die Palliativbewegung, die ihre Anfänge in den 1960er Jahren hatte und aus der Krebsbehandlung hervorging, breitet sich zunehmend auf andere medizinische Disziplinen aus und macht auch vor der Psychiatrie nicht Halt.

Doch im Bereich der Psychiatrie ergeben sich Besonderheiten, da nicht nur der alte Mensch im Zentrum steht. Die „Palliative Psychiatrie“ grenzt sich zur sonstigen Palliative Care dadurch ab, dass nicht eine zum Tod führende Erkrankung im Fokus steht, sondern vielmehr die Unheilbarkeit der Erkrankung bzw. das Nichtansprechen auf die übliche psychiatrische und psychosoziale Therapie im Sinne des Fachstandards. Dabei ist eine wesentliche Frage, ob ein (wiederholtes) Nichtansprechen auf diverse Therapieversuche es rechtfertigt, eine Therapiezieländerung einzuleiten; dies vor allem dann, wenn die Therapieversuche mit Freiheitsbeschränkungen einhergehen. Eine sorgfältige Abwägung aller relevanten Punkte ist somit geboten.

Im Rahmen einer Fallarbeit kann die Entscheidungskompetenz der Gesundheitsberufe gestärkt werden. So hat sich in Österreich bereits 2019 eine Arbeitsgruppe „Palliative Care und Psychische Krankheit“ gebildet, welche drei Mal jährlich tagt. Im Rahmen der Fallarbeit werden – anlehnend an einen Bericht des Schweizer Bundesamts für Gesundheit – drei Patient:innengruppen unterteilt:

  • Patient:innen, die sich aufgrund einer schwerwiegenden psychischen Krankheit in einer palliativen Situation befinden
  • Psychisch kranke Patient:innen, die sich aufgrund von kurativ nicht behandelbaren somatischen Erkrankungen in einer palliativen Situation befinden
  • Somatisch schwer erkrankte Patient:innen in einer Palliative-Care-Situation mit psychischen Symptomen

Bericht “Palliative Care und Psychische Erkrankungen” vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit (2014)

Literaturhinweis:
Buch von M. Halmich, Recht in der Palliative Care, 1. Auflage 2019, € 32 (Link)
Schweizer Bundesamt für Gesundheit (Link


12.09.2022