Um das Patientenrecht auf Selbstbestimmung auch für zukünftige Behandlungen absichern zu können, in denen eine Person nicht mehr entscheidungsfähig ist, wurde die Möglichkeit der Errichtung einer Patientenverfügung geschaffen. Die gesetzliche Grundlage ist das Patientenverfügungs-Gesetz (PatVG). Im Jänner 2019 wurde das Gesetz angepasst.

Was ist eine Patientenverfügung?

Mit einer Patientenverfügung verfügt jemand, dass im Fall einer in der Zukunft liegenden Krankheitssituation eine bestimmte medizinische Behandlung unterbleiben soll. Der Inhalt dieser Erklärung wird aber nur dann relevant, wenn die Person im Zeitpunkt der Behandlungsentscheidung selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist. Somit hat eine Patientenverfügung trotz Errichtung so lange keine Bedeutung, als die Person die aktuelle Behandlungsentscheidung noch selbst treffen kann, weil sie entweder eindeutig entscheidungsfähig ist oder durch eine Unterstützung in der Entscheidungsfindung als entscheidungsfähig angesehen wird.

Warum ist eine Patientenverfügung relevant?

Durch den Fortschritt der Medizin können mit Hilfe neuer Techniken und Behandlungsoptionen Leben gerettet und verlängert sowie Körperfunktionen aufrechterhalten werden, während der Tod in früheren Epochen schon längst eingetreten wäre. Aufgrund dessen entsteht bei immer mehr Menschen das Bedürfnis, über die eigene letzte Lebensphase nachzudenken und entsprechend vorzusorgen.

Wie viele Menschen sorgen eigentlich vor?

Nach einer Studie des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien aus 2014 wird dieses Vorsorgeinstrument in der Praxis noch sehr zurückhaltend angenommen. Demnach hat lediglich 4 % der österreichischen Bevölkerung eine Patientenverfügung errichtet. Die kürzliche Gesetzesänderung mit dem Ziel, u.a. auch den niederschwelligen Zugang zu fördern, wird dazu beitragen, dass dieses Vorsorgeinstrument in der Zukunft öfters gewählt wird.

Welche Arten von Patientenverfügungen gibt es?

Eine Patientenverfügung kann immer nur höchstpersönlich von der Person selbst, die es betrifft, errichtet werden. Im Zeitpunkt der Errichtung muss die Person entsprechend entscheidungsfähig sein. Das Bestehen einer Erkrankung zum Zeitpunkt der Erstellung einer Patientenverfügung ist nicht Voraussetzung. Somit können auch völlig gesunde Personen eine Patientenverfügung errichten. Es gibt zwei Arten:

  • Eine Patientenverfügung kann den Willen eines Patienten, eine medizinische Behandlung abzulehnen, verbindlich festlegen. => Verbindliche Patientenverfügung
  • Im Übrigen ist jede vorliegende Patientenverfügung bei der Ermittlung des Patientenwillens zu Grunde zu legen. => Nicht-verbindliche Patientenverfügung

Die Voraussetzungen für eine verbindliche Patientenverfügung werden im Gesetz im Detail angeführt (§§ 4–7 PatVG). Eine Patientenverfügung, die diese strengen Formvoraussetzungen nicht erfüllt (bzw. überhaupt formfrei erstellt wurde), gilt als nicht-verbindlich. Sie ist dennoch der Ermittlung des Patientenwillens zu Grunde zu legen.

Folgende Formvorschriften müssen eingehalten werden, damit eine Patientenverfügung einen verbindlichen Charakter aufweist:

  • Höchstpersönliche Errichtung und Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit bei der errichtenden Person im Erstellungszeitpunkt
  • Ärztliche Aufklärung
  • Errichtung vor einem Rechtsanwalt / Notar / rechtskundigen Patientenvertreter / rechtskundigen Mitarbeiter eines Erwachsenenschutzvereins
  • Ablehnung bestimmter medizinischer Behandlungen
  • Aktualität (Geltungsdauer grundsätzlich acht Jahre)

Welche Maßnahmen werden in der Praxis abgelehnt?

Es können nur medizinische Maßnahmen abgelehnt werden, wie z.B.:

  • Ernährung mittels Sonde / Flüssigkeitsersatz (z.B. Infusion)
  • Beatmungshilfen (z.B. Intubation, Maskenbeatmung, Tracheotomie)
  • Wiederbelebung (Herzdruckmassage, auch Defibrillation)
  • Antibiotische Therapie
  • Medikation zur Aufrechterhaltung/Stärkung lebenswichtiger Organe
  • Verabreichung von Blut / Blutbestandteilen
  • Einsatz von Geräten zur Organunterstützung bzw. zum Organersatz (z.B. Dialyse)
  • Wiederbelebungsmaßnahmen durch den Rettungs- / Notarztdienst

Welche Bedeutung haben Patientenverfügungen für Gesundheitsberufe?

  • Verbindliche Patientenverfügung: Sie bindet das Behandlungsteam. Medizinische Maßnahmen, die durch eine solche Patientenverfügung abgelehnt werden, dürfen nicht gesetzt werden. Dies auch dann, wenn die Behandlungsablehnung für das Behandlungsteam aus fachlichen Gründen nicht nachvollziehbar ist und einen unmittelbaren Tod der Person zur Folge hat.
  • Nicht-verbindliche Patientenverfügung: Sie ist für die Ermittlung des Willens des Patienten von Bedeutung (= „der Ermittlung des Patientenwillens zu Grunde zu legen“). Sie stellt also eine Orientierungshilfe bei der Erforschung des mutmaßlichen Willens des Patienten dar. Die Entscheidung bleibt aber beim Behandlungsteam in Kooperation mit den Vertretern, wobei die Gerichte hier eine Rechtschutzfunktion innehaben.

Wie ist die Vorgehensweise im Notfall?

Da die Beschäftigung mit einer Patientenverfügung Zeit in Anspruch nimmt, beinhaltet das Patientenverfügungs-Gesetz eine Notfallsregelung. So hat die medizinische Notfallversorgung Vorrang, sofern der mit der Suche nach einer Patientenverfügung verbundene Zeitaufwand das Leben oder die Gesundheit des Patienten ernstlich gefährdet (§ 12 PatVG).

Diese Regelung hat vor allem für das Gesundheitspersonal Bedeutung, die in der Notfallmedizin eingesetzt sind, wie etwa Sanitäter, Notärzte und Krankenhauspersonal in Notaufnahmen. Dabei ist der Begriff „Suche“ in diesem Zusammenhang nicht streng wörtlich im Sinne einer umfassenden Suchpflicht zu interpretieren, sondern vielmehr als Einsichtnahme in ELGA oder Nachschauhalten nach entsprechendem Hinweis (z.B. Patientendokumente sichten, Blick in den Bett-Beistelltisch). Die Einsichtnahme in ELGA kann aus Zeitgründen auch unterbleiben (§ 13 Abs. 7 GTelG).

Aber nicht nur die Suche kann zu einem erheblichen Zeitaufwand führen, sondern auch die inhaltliche Beschäftigung mit den Gültigkeitsvoraussetzungen einer Patientenverfügung. Da Akutteams bei einem reglosen (und bislang unbekannten) Notfallpatienten in der Regel keine Zeit haben, die Patientenverfügung zu suchen oder sich inhaltlich im Detail mit ihr zu beschäftigen, sind indizierte lebensrettende Sofortmaßnahmen (vorerst) einzuleiten und das Eintreffen weiterer Kolleg*innen zu überbrücken. Sobald anwesende Fachkolleg*innen über freie zeitliche Kapazitäten verfügen, hat unverzüglich eine inhaltliche Prüfung der Patientenverfügung zu erfolgen. Kann eine verbindliche Patientenverfügung zweifelsfrei ausgelegt werden, sind die abgelehnten Maßnahmen nicht einzuleiten bzw. bereits begonnene Maßnahmen nicht mehr weiter fortzusetzen. Eine entsprechende Dokumentation hat zu erfolgen.

Welche Änderungen traten im Jänner 2019 in Kraft?

  • Differenzierung zwischen verbindlicher und nicht-verbindlicher Patientenverfügung (es gibt keine beachtliche Patientenverfügung mehr).
  • Erweiterung der Errichtungsstellen um die Erwachsenenschutzvereine (Hinweis: nach Maßgabe technischer und personeller Möglichkeiten).
  • Möglichkeit der Speicherung der Verfügungen in ELGA.
  • Verlängerung der Gültigkeitsfrist von verbindlichen Patientenverfügungen von fünf auf acht Jahre.
  • Erneuerung einer verbindlichen Patientenverfügung lediglich durch ärztliche Aufklärung ohne Juristenbeiziehung möglich.
  • Klarstellung, dass auch bei ausländischen Patienten stets österreichisches

Literaturhinweis:
M. Halmich, Patientenverfügung – Rechtsgrundlagen für Patienten und Gesundheitsberufe, 1. Auflage (2019)
€ 25
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06.02.2020