Nach dem Heimaufenthaltsgesetz (HeimAufG) sind Freiheitsbeschränkungen auch durch medikamentöse Maßnahmen möglich. Sie unterliegen einer strengen Kontrolle und werden von der Bewohnervertretung überwacht. Dies dient dem Bewohner:innen-Schutz. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat sich schon des Öfteren mit der Frage beschäftigt, wann bei Psychopharmaka-Verabreichungen von einer meldepflichtigen medikamentösen Freiheitsbeschränkung ausgegangen werden kann.

In einer aktuellen Entscheidung wurden die Kriterien durch den OGH erneut herausgearbeitet und klargestellt:

  • Eine Freiheitsbeschränkung durch medikamentöse Mittel ist dann zu bejahen, wenn die Behandlung unmittelbar, also primär, die Unterbindung des Bewegungsdrangs bezweckt, nicht hingegen im Fall von unvermeidlichen bewegungsdämpfenden Nebenwirkungen, die sich bei der Verfolgung therapeutischer Ziele ergeben können.

  • Die Beurteilung, ob aus diesem Gesichtspunkt eine Freiheitsbeschränkung vorliegt, erfordert nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung Feststellungen darüber, 1. welchen therapeutischen Zweck die Anwendung der einzelnen der zu überprüfenden Medikamente verfolgt, 2. ob die Medikamente, insbesondere in der dem Bewohner verabreichten Dosierung und Kombination dieser Zweckbestimmung entsprechend eingesetzt wurden und werden und 3. welche konkrete Wirkung für den Bewohner mit dem Einsatz der Medikamente vorhanden war und ist.

  • Dient der primäre Zweck des Medikamenteneinsatzes der Unterbindung von Unruhezuständen, des Bewegungsdrangs und der Beruhigung, also zur „Ruhigstellung“ (gegen Aggression, Enthemmung, Unruhe etc), dann ist die medikamentöse Therapie als Freiheitsbeschränkung zu qualifizieren.

  • Der OGH hat aber bereits klargestellt, dass aus diesen Grundsätzen abzuleiten ist, dass auch im Zusammenhang mit einem Medikament, das sedierend wirken soll, eine Freiheitsbeschränkung nur dann vorliegt, wenn beim betroffenen Bewohner ein Ausmaß an Beruhigung eintritt, das ihm eine Ortsveränderung unmöglich macht bzw. erschwert, sei es, dass er körperlich nicht mehr oder nur mehr eingeschränkt zur Fortbewegung in der Lage ist, sei es, weil sein Impuls zur Fortbewegung verringert ist. Dies bedeutet, dass für das Vorliegen einer medikamentösen Freiheitsbeschränkung die intendierte Bewegungseinschränkung auch in einem feststellbaren Ausmaß eintreten muss.

Nach den den OGH bindenden Feststellungen tritt durch die gegenständlich verabreichten Medikamente (im Fall: Seroquel, Quetialan XR und Abilify) keine sedierende Wirkung ein und der Bewegungsdrang wird nicht vermindert. Bereits aus diesem Grund liegt insoweit keine Freiheitsbeschränkung nach § 3 HeimAufG vor. 

Quelle:
OGH 22.3.2023, 7 Ob 11/23b (Link)


30.07.2023