1) Einleitung
In Österreich unterliegen freiheitsbeschränkende Maßnahmen aufgrund gesetzlicher Vorgaben (EMRK, PersFrG, UbG, HeimAufG) einer strengen Kontrolle. Die Frage der Zulässigkeit derartiger Maßnahmen ist in der Praxis oftmals Gegenstand lebhafter Diskussionen, die unter Beiziehung der Gerichte endgültig geklärt werden. Aufgrund der Verpflichtung zur Einhaltung der Verhältnismäßigkeit kommt es in der Praxis vor, dass gelindere Maßnahmen nach dem UbG oder dem HeimAufG Vorrang genießen. Diese Schnittstelle ist Inhalt des vorliegenden Beitrages, der versucht, etwas Klarheit zu schaffen.
2) Geltungsbereich UbG und HeimAufG
Das UbG hat seinen Geltungsbereich in Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie, in denen Personen in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werden. Aufgrund dieses engen Anwendungsbereiches und dem Umstand, dass auch außerhalb von psychiatrischen Abteilungen freiheitsbeschränkende Maßnahmen gesetzt werden, wurde 2005 diese Rechtsschutzlücke geschlossen und durch das HeimAufG der Schutzbereich erweitert. Es gilt in Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie in anderen Einrichtungen, in denen wenigstens drei psychisch kranke oder geistig behinderte Menschen ständig gepflegt und betreut werden können; unter bestimmten Voraussetzungen auch in Krankenanstalten. Aufgrund einer Ausnahmeregelung, dass in psychiatrischen Abteilungen stets UbG, und nicht HeimAufG zur Anwendung gelangt, gibt es keine Doppelzuständigkeit von UbG und HeimAufG in ein und derselben Einrichtung. Außerhalb einer „Institution“, wie zB bei der häuslichen Pflege, werden Eingriffe in die persönliche Freiheit keinem gesondertem Rechtschutzregime unterstellt. Es gelten die allgemeinen (Straf)Rechtsnormen.
Eine wesentliche Unterscheidung zwischen diesen zwei Rechtsgrundlagen besteht dennoch. So kennt das HeimAufG, im Gegensatz zum UbG, keine zwangsweise Aufnahme. Freiheitsbeschränkende Befugnisse sind daher lediglich für die „innere Ausgestaltung“ eines ansonsten freiwilligen und vertraglich geregelten Aufenthaltes vorgesehen.
3) Zulässigkeitsvoraussetzungen von Freiheitsbeschränkungen
Sowohl das UbG als auch das HeimAufG haben nicht zum Ziel, freiheitsbeschränkende Maßnahmen unter allen Umständen zu verhindern, sondern verfolgen vielmehr den Anspruch, dass diese Maßnahmen nur dort zum Einsatz kommen, wo aus Gründen der Gefahrenabwehr aktuell ein unbedingt notwendiger Handlungsbedarf besteht. Aufgrund dessen gilt ein strenges Transparenzprinzip und haben Einrichtungen, die Personen betreuen, pflegen oder behandeln, gesetzliche Meldepflichten.
Die Kriterien der materiellen Zulässigkeit von Freiheitsbeschränkungen nach dem UbG und dem HeimAufG decken sich nicht zur Gänze. Dazu kommt, dass der Rechtsrahmen, der durch das UbG abgesteckt wird, weitreichendere Befugnisse vorsieht. So ist es möglich, die Einhaltung bestimmter Persönlichkeitsrechte (zB Handy- und Besuchsrechte, Tragen von Privatkleidung, Gebrauch persönlicher Gegenstände, Ausgang ins Freie etc.) gerichtlich überprüfen zu lassen und gibt es weitreichendere Zulässigkeitskriterien bei Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, die parallel zur Anhaltung in einem geschlossenen Bereich angeordnet werden können.
In aller Kürze werden die unterschiedlichen Zulässigkeitskriterien bei „klassischen Freiheitsbeschränkungen“ dargestellt:
UbG |
HeimAufG |
|
|
Die in der Tabelle genannten Kriterien unterliegen als Rechtsbegriffe der Auslegung durch die Gerichte. Die Rechtsprechung ist diesbezüglich nicht immer einheitlich. Beiden Bestimmungen gleich ist, dass stets schonendere, nichtbeschränkende Alternativen Vorrang genießen.
4) Alternativenmanagement und UbG-HeimAufG-Zusammenspiel
Als Alternativen, die anstelle des Freiheitsentzuges nach dem UbG Vorrang genießen, kommen sämtliche Behandlungs- und Versorgungsformen außerhalb einer psychiatrischen Abteilung, also im halbstationären oder ambulanten Bereich, in Betracht. Weiters auch ambulante psychosoziale Einrichtungen, Betreuung im Familienkreis mit/ohne professioneller Unterstützung oder in Pflegeeinrichtungen.
Das Alternativenmanagement im HeimAufG verfolgt zwei Zwecke: Zum Einen hat die Beschränkung zur Abwehr der Gefahr unerlässlich und geeignet sowie in ihrer Dauer und Intensität im Verhältnis zur Gefahr angemessen zu sein (Verhältnismäßigkeitsprüfung), und zum Anderen kann diese Gefahr nicht durch andere Maßnahmen, insbesondere schonendere Betreuungs- und Pflegemaßnahmen, abgewendet werden. In der Praxis kommen zB folgende alternative, nichtbeschränkende Pflege- und Betreuungsmaßnahmen zur Anwendung: Niedrigflurbetten, Sturzmatten, elektronische Überwachungs- und Alarmsysteme, Desorientiertensysteme, vermehrter Personaleinsatz, Physio- und Ergotherapie, Sturzprophylaxe, Biographiearbeit und Validation, erweitertes Beschäftigungsangebot etc.
Werden in psychiatrischen Abteilungen iSd UbG vorwiegend solche Personen untergebracht, von denen akute Gefahrenmomente ausgehen und eine Entlassung nach Abklingen der Symptome angestrebt wird, bildet Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen oftmals die Wohn- und/oder regelmäßige Tagesbetreuungsstätte für Personen mit kognitiven Einschränkungen. Aufgrund der gesetzlichen Möglichkeiten nach dem UbG kommen in psychiatrischen Abteilungen – bei entsprechender Selbst- und/oder Fremdgefährdung – invasivere Maßnahmen des Freiheitsentzuges zur Anwendung (Anhaltung in einem geschlossenen Bereich, Einsatz von Psychopharmaka in hohen Dosen, Gurtfixierungen im Bett etc.). Die typischen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen, die der Kontrolle des HeimAufG unterliegen, sind elektronische Überwachungssysteme, Hindern am Verlassen des Rollstuhls oder einer Sitzgelegenheit mittels „Therapietisch“ bzw. Gurten, Hindern am Aufstehen aus dem Bett mittels Seitenteilen oder der Einsatz von sedierend-wirkenden Medikamenten. Die Gefährdungen beziehen sich in der Mehrheit der gemeldeten Beschränkungen auf die betroffene Person selbst (zB Weglauftendenzen bei fehlender Verkehrstauglichkeit, Sturzgefahr, Verhaltensauffälligkeiten im Rahmen einer Demenz).
Nun erhebt sich die Frage, bei welchen Personen nun nach welchem Gesetz vorzugehen ist und welche Maßnahmen den Rechtsrahmen des jeweiligen Gesetzes genügen? Stehen sich diesbezüglich UbG und HeimAufG wechselseitig im Weg?
Primär ist diese Frage anhand des Aufenthaltsortes der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Gefährdung zu bestimmen. Befindet sich die betroffene Person bereits in einer Einrichtung, für die das HeimAufG gilt, wird in der Regel nach diesem Gesetz vorzugehen sein; in Eskalationsfällen im öffentlichen oder privaten Umfeld nach UbG, da dort auch Regeln für eine gegebenenfalls zwangsweise Vorführung bestehen. In weiterer Folge ist anhand der individuellen Umstände des Einzelfalls, die bei der betroffenen Person gelegen sind, zu überprüfen, welcher Ort, und daran anschließend, welche Schutzmaßnahmen zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderlich sind.
UbG und HeimAufG schließen sich daher nicht aus, sondern ergänzen sich vielmehr, sodass keine Rechtschutzlücke für den Betroffenen herrscht und ein Freiheitsentzug stets einer externen Kontrolle unterliegt.
Weiterführende Literatur:
Halmich, Unterbringungsgesetz – Praxiskommentar (2014) – Infolink
Bürger/Halmich, Heimaufenthaltsgesetz – Kommenar, 2. Auflage (2019) – Infolink
04.02.2020