Menschen mit Behinderung sind zu Beginn der Corona-Pandemie mit einer Beschwerde vor das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zogen, weil sie befürchteten, in einer Triage-Situation während der Corona-Pandemie benachteiligt zu werden. Das Gericht gab den Beschwerdeführern recht und stellte im Dezember 2021 fest, der deutsche Gesetzgeber habe Vorkehrungen, die sich aus dem Grundgesetz ergeben, bisher nicht getroffen und forderte, dies unverzüglich nachzuholen. Wir haben darüber berichtet (Link).

Gesetzesbeschluss Mitte November 2022

Mitte November 2022 wurde nun im deutschen Bundestag eine Triage-Regelung im Infektionsschutzgesetz beschlossen. Das Gesetz, welches aktuell noch nicht in Kraft ist, soll dazu dienen, das Risiko einer Benachteiligung insbesondere aufgrund einer Behinderung bei der Zuteilung aufgrund einer übertragbaren Krankheit nicht ausreichend vorhandener überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten zu reduzieren. Demnach darf die Zuteilungsentscheidung nur nach der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patienten getroffen werden. Das Gesetz enthält ferner Regelungen zum Verfahren bei der Zuteilungsentscheidung.

Auszug aus Gesetz

Niemand darf bei einer ärztlichen Entscheidung über die Zuteilung aufgrund einer übertragbaren Krankheit nicht ausreichend vorhandener überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten (Zuteilungsentscheidung) benachteiligt werden, insbesondere nicht wegen einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten sind in einem Krankenhaus nicht ausreichend vorhanden, wenn

  • der überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungsbedarf der Patientinnen und Patienten des Krankenhauses mit den dort vorhandenen überlebenswichtigen intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten nicht gedeckt werden kann und
  • eine anderweitige intensivmedizinische Behandlung der betroffenen Patientinnen und Patienten nicht möglich ist, insbesondere weil eine Verlegung nicht in Betracht kommt a) aus gesundheitlichen Gründen oder b) da die regionalen und überregionalen intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten nach den dem Krankenhaus vorliegenden Erkenntnissen ausgeschöpft sind.

Eine Zuteilungsentscheidung darf nur aufgrund der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patientinnen und Patienten getroffen werden. Komorbiditäten dürfen bei der Beurteilung der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit nur berücksichtigt werden, soweit sie aufgrund ihrer Schwere oder Kombination die auf die aktuelle Krankheit bezogene kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit erheblich verringern. Kriterien, die sich auf die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit nicht auswirken, wie insbesondere eine Behinderung, das Alter, die verbleibende mittel- oder langfristige Lebenserwartung, der Grad der Gebrechlichkeit und die Lebensqualität, dürfen bei der Beurteilung der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit nicht berücksichtigt werden. Bereits zugeteilte überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten sind von der Zuteilungsentscheidung ausgenommen.

Die Zuteilungsentscheidung ist einvernehmlich von zwei Ärztinnen oder Ärzten zu treffen. 

Weiters regelt das Gesetz etwa das Vorgehen im Kollisionsfall und die Anforderungen an die Dokumentation. Darüber hinausgehende Details sind im bereits beschlossenen Gesetzestext nachzulesen (Link).

Beispiel für Österreich?

Ob sich auch der österreichische Gesetzgeber daran ein Beispiel nimmt und die Triage per Gesetz reglementiert, bleibt offen. Die Entwicklungen sind abzuwarten.

Quelle:
Deutscher Bundestag (Link)


22.11.2022